im schatten des ersten interviews von natascha kampusch sowie dem vorläufigen fußballerischen tiefpunkt der nationalteam-ära „hickersberger 2“ fand zu späterer stunde das zweite tv-duell zu den nationalratswahlen statt. nach dem gestrigen duell zweier nach regierungsbeteiligung strebender parteien mit gemeinsamen koalitionsabsichten traf heute die spö, welche auf einen klaren regierungsanspruch durch die zurückgewinnung des ersten platzes in der wählergunst schielt, auf die fpö, welche die rolle einer starken oppositionskraft anvisiert. alfred gusenbauer und heinz-christian strache, letzterer gestern noch in kirchdorf/krems (vote06 berichtete), waren also zu gast im „duell um den kleinen mann“ bei ingrid thurnher.
das breite themenspektrum, welches anfangs von ingrid thurnher und später von hc strache diktiert wurde, umfasste insbesonere die bereiche arbeitsmarkt, pflege, zuwanderung und bawag. zu beginn beklagte der blaue parteiobmann, dessen stimme im fernsehen wieder deutlich schwächer als auf wahlkampfveranstaltungen vor ort klingt, die ausgrenzung der fpö durch die övp und die spö. „es geht nicht um ausgrenzung, es geht um klare prinzipien“, so die antwort gusenbauers, der seinerseits vom ersten satz an versuchte, seine ziele und hoffnungen auf eine soziale wende in österreich zu vermitteln.
strache: es handelt sich bei der freiheitlichen partei österreichs um keine ausländerfeindliche partei.
beim thema arbeitsmarkt sorgte gusenbauer für ein grünes déjà-vu, indem er ebenso wie van der bellen am vortag investitionen in die bildung als primäre maßnahme zur verringerung der arbeitslosigkeit sieht. das geld dafür würde aus den positiven effekten der reduzierten arbeitslosigkeit stammen – ein arbeitsmarktpolitisches perpetuum mobile sozusagen, welches aufgrund seiner simplizität geradezu absurd klingt und wohl auch ist. wenn es schon an inhalten krankt, so konnte gusenbauer wenigstens mit seinen alltagsgeschichten von den 15-jährigen, die ohne schul- und lehrplatz auf der straße zu drogen und alkohol greifen, sowie dem jugendlichen, der bei 200 bewerbungen nur 2 antworten erhalten hat, punkten. straches lösungsvorschlag mit der bekannten differenzierung zwischen anständigen, integrierten ausländern und ausländischen gastarbeitslosen ist uns bereits mehr als bekannt. darüber hinaus solle der staat für die bezahlung der lehrstellen aufkommen, so strache.
strache: dort wo rot regiert sehen wir ja, dass es ebensowenig funktioniert.
mit der forderung von sozialleistungen nur für österreicher gelang strache ein nahtloser übergang zum zuwanderungsthema, in welchem gusenbauer kritik an der zuwanderungspolitik der regierung übte und auf europäischer ebene eine gerechtere aufteilung von asylwerbern forderte. gusenbauer dürfte hierbei nicht erkannt haben, dass ihm kein regierungsvertreter sondern hc strache gegenübersitzt, anders sind seine ständigen seitenhiebe in richtung regierung sowie das fehlende eingehen auf seinen eigentlichen kontrahenten nicht zu erklären. gegen die angriffe straches („dort wo rot regiert sehen wir ja, dass es ebensowenig funktioniert“) setzte sich gusenbauer anfangs nur halbherzig zur wehr, was strache für eine kurzen stimmenfang in seiner hochburg wien nützte.
thurnher (zu gusenbauer): sie sind schon fast so schwer zu bremsen wie der herr grasser.
nach einem kurzen abstecher zur pflegeproblematik, bei welchem beide kandidaten nicht darauf verzichten konnten ihre eigenen pflegeanekdoten aus ihren familien anzubringen, stand teil zwei der zuwanderungsdebatte auf dem programm, welcher mit einem kritik-duett von strache und gusenbauer an der bundesregierung begann. gusenbauer versuchte dabei, strache seinen status als hardliner streitig zu machen, indem er an das bewusstsein für die kultur, demokratie, frauenrechte und sprache der einwanderer mahnte. der totale zuwanderungsstopp der fpö sei jedoch ein scheinheiliger weg der niemandem nütze. im bereich der lösungskonzepte holte sich strache mit der forderung nach einer familienpolitik für österreicher anstatt eines bevölkerungsaustauschs durch zuwanderung raschestmöglich seinen status als ober-hardliner zurück während gusenbauer über seine vorstellungen einer kinder- und menschenfreundlichen gesellschaft sinnierte und insbesondere mehr kinderbetreuungsangebote und eine bessere vereinbarkeit von beruf und familie forderte.
gusenbauer: das nächste thema ist dann die unsterblichkeit der maikäfer.
einem sichtlich unbeirrten hc strache war es in folge ein besonderes anliegen, das thema bawag anzusprechen und einen wenig zusammenhängenden redeschwall samt sämtlicher obligater populismuskeulen von den „roten bonzen“ bis hin zu den „penthäusern“ anzubringen (auch der „konsum“ durfte natürlich nicht fehlen). gusenbauer, der mit den gedanken immer noch mehr bei der bundesregierung als bei seinem tv-duellanten war, versuchte in bester grasser-manier nicht auf die zugegebenermaßen wenig konstruktiven argumente seines kontrahenten einzugehen, sondern sich selbst zu präsentieren und auch im bawag-skandal eine harte linie zu vertreten: „wahr ist dass bei der bawag eine wahrliche katastrophe passiert ist, (…) hier muss die volle härte des gesetzes zuschlagen“, so gusenbauer, der elsner & co. am liebsten hinter gittern und mit ihrem eigenen vermögen haftend sehen würde.
gusenbauer: die leute können ja heute nicht mehr gut schlafen wenn sie sich den herrn strache anhören.
strache: und der herr kreisky würde sich im grab umdrehen wenn er das heute gesehen hätte.
das vermeintliche thema des wahlabkommens zwischen der spö und dem liberalen forum bot strache schlussendlich noch die gelegenheit, sein vorhergehendes sammelsurium an halbwahrheiten selbst noch einmal zu übertrumpfen und ein „best of“ seiner wahlkampfslogans anzubringen: türkei-beitritt, neutralität, zentralistische eu-verfassung, haschisch-freigabe, gentechnik, atom, globalisierungswahn, bla bla bla. doch auch gusenbauer setzte nur auf seine alte leier gegen schwarz-blau und seine vorstellungen von neuer fairness und gerechtigkeit anstatt strache in seinem absurden, populistischen redeschwall mit weiteren äußerungen der marke „straches geisterfahrermeldungen“ oder „so viel unsinn zu so später stunde ist schwer erträglich“ bloßzustellen. dafür war wenigstens spätestens als man im totalen chaos keinen der beiden spitzenkandidaten mehr verstand für seichte unterhaltung und peinlichkeiten gesorgt.
gusenbauer: ja, wir stehen nicht mit vollem herzen hinter dem eu-beitritt der türkei.
die schlussworte konnten nicht als solche wahrgenommen werden, zumal hc strache sein schlusswort nicht einmal als solches erkannte und alfred gusenbauer seines nicht für eine klare botschaft an den wähler verwendete sondern anscheinend ebenso bei nicht mehr vollem bewusstsein für eine weitere unbedeutende ansage der änderung der politik der europäischen union verschwendete. am ende einer zumindest lebhaften diskussion steht diesmal nicht die frage nach dem sieger, sondern die frage, ob nach einer solchen (un-)diskussion nicht beide kandidaten als verlierer gelten? somit schließt sich der kreis mit einem lob einerseits für ingrid thurnher, die – auch wenn sie sich wiederum nur bedingt durchsetzen konnte – sichtlich bemüht war mit gezielten einwürfen und ordnungsrufen das gespräch zu leiten und zumindest aktiver als beim ersten tv-duell zu sein, und für natascha kampusch, welche anscheinend mehr redekultur als die spitzenkandidaten von rot und blau besitzen dürfte. (LAN)