2009 ist Geschichte! Ein Jahr, das symptomatisch für das nun beendete Jahrzehnt der “Nullerjahre” war, das ich gerne als “letztes Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts” bezeichne. Denn anstatt bei den großen Herausforderungen in den Bereichen Globalisierung, Wirtschaftspolitik, Klimapolitik, Bildungspolitik und Sozialpolitik mutige Weichen ins 21. Jahrhundert zu stellen, wurde im Wesentlichen mutlos die Politik des 20. Jahrhunderts prolongiert…

2009 kulminierte diese Politik des visionslosen Verwaltens in der größten Wirtschaftskrise seit den 1920er-Jahren, in der weltpolitischen Verteilungsschande namens 1 Milliarde Hungernde, in europaweiten Bildungsprotesten und in einem grandios gescheiterten Weltklimagipfel von Kopenhagen. Doch anstatt auf die notwendigen Kurskorrekturen zu setzen, versuchte die Politik einmal mehr mit Milliardenspritzen auf Kosten der Ärmsten dieser Welt und der zukünftigen Generationen den Status quo aufrechtzuerhalten.

So symptomatisch wie das Jahr 2009 für das gesamte Jahrzehnt war, so symptomatisch war erst recht der Dezember für das gesamte Jahr 2009: In Kopenhagen wird den vom Klimawandel betroffenen Menschen signalisiert, dass deren Untergang bzw. Chancenverringerung den Mächtigen der Industrieländer egal ist. In Wien will die Kanzlerpartei das Auslaufen der unfinanzierbaren Hacklerregelung verhindern.

In Klagenfurt wird die Hypo Alpe Adria zum Milliardengrab für die österreichischen SteuerzahlerInnen. Wiederum in Wien wird den Studierenden gezeigt, dass man als PolitikerIn den Bildungsprotest am besten zwei Monate lang nicht ernst nimmt und schlussendlich polizeilich auflöst. Und in Detroit liefert wieder einmal ein vermeintlicher Flugzeugterrorist eine Steilvorlage, damit die USA und andere Länder in ihrem Sicherheitswahn mit Kontrollen, Datenweitergabe, Nacktscannern & Co. die Bürgerrechte weiter einschränken können.

Gerade für uns junge Menschen sind dies fatale Signale: Der Klimawandel wird ignoriert, die Pensionen können wir uns abschminken, die Bankenmilliarden werden die Handlungsmöglichkeiten des Staats massiv einschränken, unsere Proteste werden ausgesessen und unsere Bürgerrechte mit Füßen getreten! Und wenn man den Blick über den nationalen Tellerrand wirft, so stellen Hunger, Kriege, Armut und Ungerechtigkeit den globalen Alltag dar. Angesichts dieser Entwicklungen ist es niemandem zu verübeln, wenn man den Glauben an Mut, Gerechtigkeit und Visionen in der Politik verliert.

Wenn es zu Beginn der Nullerjahre eigentlich schon “5 vor 12″ war, so ist es mittlerweile in vielen Bereichen leider schon “5 nach 12″. Ein enormer Verlust der Artenvielfalt infolge des Klimawandels ist ebenso unvermeidbar wie ein Anheben des Pensionsantrittsalters. Zum Glück sind jedoch nicht alle Kurskorrekturen so negativ zu sehen wie die soeben genannten, vielmehr gilt es die Chancen einer radikalen Transformation unseres Lebens und Wirtschaftens in den Mittelpunkt zu stellen. “Viele gute Chancen warten auf dich” stand treffenderweise in meinem in der Silvesternacht geöffneten Glückskeks, nun müssen wir diese Chancen auch aufzeigen!

Zeigen wir, dass sich notwendige Investitionen in die Bildung langfristig ebenso rentieren wie notwendige Investitionen in den Klimaschutz und in die Entwicklungspolitik! Zeigen wir, wie jedem von uns mit thermischer Sanierung, erneuerbaren Energieträgern und öffentlicher Mobilität mehr im Geldbörsel übrigbleibt! Zeigen wir, wie Photovoltaik, Windkraft oder Biomasse neue, zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen wo vor kurzem noch Jobs verloren gingen. Zeigen wir, wie gestärkte Bürgerrechte, geteiltes Wissen und die Freiheit des Internet unsere Demokratie und Gesellschaft und damit auch die Politik beleben können!

Zeigen wir, wie ein gezähmter Finanzkapitalismus zu mehr Sicherheit und Stabilität in unserer Gesellschaft beitragen kann! Zeigen wir, welchen Mehrwert ein nicht allein dem Konsum-, Gewinnmaximierungs- und Wachstumsfetisch verschriebenes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem für das Gemeinwohl und die Umwelt bedeuten kann! Und zeigen wir, wie eine Neuverteilung und Neubewertung von Arbeit bzw. eine Entschleunigung des eigenen Lebensstils die persönliche Lebensqualität erhöhen und die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf verbessern können!

Um eine solche wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation zu erreichen, brauchen wir auch einen politischen Wandel weg vom feigen postdemokratischen Politmarketing und hin zu mehr Transparenz, Kompetenz, Verantwortung und Partizipationsmöglichkeiten. Angesichts der Notwendigkeit dieses radikalen Wandels, bei dem es natürlich neben vielen GewinnerInnen auch einige (mächtige) VerliererInnen geben wird, stehen wir gewiss nicht vor einem einfachen Jahrzehnt. Doch nicht nur die Erkenntnisse aus den Studierendenprotesten oder der Klimaschutzbewegung stimmen mich zuversichtlich, dass wir dieser Herausforderung gewachsen sein werden!

Prosit 2010!

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Dieser Beitrag von Andreas Lindinger erschien auch in seinem Blog AndreasLindinger.AT.


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